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Wohnungen in Mieterhand

Wohnungen in Mieterhand

Positionen von Sebastian Krone, Koordinator der AG Wirtschaft

Im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland ein Mieterland. Ca. 60 % der Menschen wohnen in gemieteten Wohnungen.[1]
Darüber hinaus gibt es einen Zuwachs an Eigentumswohnungen, die vermietet werden. Die Wandlung von vermietetem Wohnraum in Eigentumswohnungen hat stark zugenommen. Die Kommunen versuchen daher, die Sperrfrist von Wohnungskündigungen bis auf 10 Jahre auszudehnen.

Die durchschnittliche Lebensdauer von massiv erbauten Häusern beträgt 100-150 Jahre – bei der derzeit üblichen Kaufpreiskalkulation berechnet sich der Kaufpreis für eine Miethaus (oder einer vermieteten ETW) zwischen der 20- bis 30-fachen Kaltmiete, also der Miete ohne jegliche Nebenkosten.

Nach 20-30 Jahren wurde über die Miete also genauso viel vom Vermieter eingenommen, wie das ganz Haus gekostet hat. Nach weiteren 80 Jahren wurde das Haus bis zu viermal allein von den Mietern nochmals bezahlt.

Sicherlich müssen auch Instandhaltungsarbeiten vom Eigentümer durchgeführt werden, wenn sie nicht trickreich über die Nebenkosten auf den Mieter abgewälzt werden können.

Vieles lässt sich auch als sogenannten Modernisierungsmaßnahmen tarnen, die mit 11 % (seit 2019 8 %) jährlich auf die Mieter verteilt werden, die dann nach etwas mehr als 10-12 Jahren (je nach Umlagesatz) vollständig amortisiert worden.

Die um 11 % (seit 2019 8 %) höhere Miete wird aber nicht zurückgenommen. Oder mit anderen Worten: Alle 10-12 Jahre wird diese einmalige Modernisierung komplett von den Mietern neu bezahlt. Nun bleibt es bekanntlich nicht bei einer einzigen Modernisierungsmaßnahme während der Lebensdauer eines Hauses.

Alles das klingt nicht nur nach einem guten Geschäft für die Eigentümer, sondern ist es auch.

Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Menschenrecht auf Wohnen ist Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard, wie es in Artikel 11 des „Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (UN-Sozialpakt) verbrieft ist.
PDF: https://owncloud.ag-technik.de/s/b9drY99NH35bCYB

Ein formelles „Recht auf Wohnen“ gibt es in Deutschland nur in Bayern, Berlin, Bremen und Sachsen.
PDF: https://owncloud.ag-technik.de/s/tXmMmSRWtraHbdR

Wer Wohnraum als Geschäftsmodell vermieten will, muss sich der Grundrechtslage stellen. Niemand wird in dieses Geschäftsmodell gezwungen. Das heißt aber nicht, dass die Erzielung von Überschüssen bei der Wohnraumvermietung grundsätzlich falsch sind. Das Thema lautet hier, wer das Eigentum (be-)hält.
Letztlich geht z.B. der Genossenschaftsgedanke in diese Richtung, löst aber die oben gestellt Eigentumsfrage nicht auf. Es gibt auch gemeinnützige Eigentümerorganisationen, in welcher Rechtsform auch immer.

Zur Wohnungssituation:

Es besteht nach wie vor eine Bestandslücke von mehr als einer Million Wohnungen (seit 2009), die weiterhin starke Nachfrage nach angemessenem Wohnraum, da günstigenfalls 315.000 Wohnung pro Jahr neu gebaut werden. Die Nachfragesituation verschärft sich durch die Aufnahme geflüchteter Menschen.

Die Mietpreise entwickelt insbesondere durch die hohe Nachfrage sich nahezu zügellos und verstärken den oben beschriebenen Effekt der Mehrfachbezahlung. Marktwirtschaftliche Regularien funktionieren nicht mehr.

Laut BGB gehen 30 % – 40 % des Einkommens für die Miete drauf. [6]

Dass sich die Eigentumsfrage zu drängendsten Problemen neben dem Klimawandel entwickelt hat, liegt an der drastischen Veränderung der Vermögensverteilung. Seit der Reagan-Ära hat sich die gesellschaftlichen Bedingungen drastisch verändern, die Sozialstaat wurde weitgehend abgeschafft und gegen eine stetig wachsenden Niedriglohn-Sektor getauscht. Der Mittelstand löst in diesem Umverteilungskampf auf.

Gibt es einen Ausweg?

Es bedarf dringend einer globalen Verabredung zu einer Art Sozialstaat 2.0 und der Abschaffung des Neoliberalismus[7] und der Reorganisation einer gerechten Vermögensverteilung. Hier gibt es interessante Vorschläge zur Besteuerung und einem Grunderbe.[8]

Hinsichtlich des Themas „Wohnungen in Mieterhand“ müssen entsprechende Beteiligungsmodelle entwickelt werden. Beispiele gibt es bereits bei der Beteiligung von Mitarbeitern an Unternehmen oder dem Konstrukt des Mietkaufs. Wo ein Wille ist, findet sich ein Weg.


[1]Deutscher Mieterbund zur Umwandlung in Eigentumswohnungen
https://www.mieterbund.de/mietrecht/ueberblick/umwandlung.html

[2] Deutsches Institut für Menschenrechte zum Recht auf Wohnen:
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/wirtschaftliche-soziale-und-kulturelle-rechte/recht-auf-wohnen

[3]DeStatis Statistik zur Eigentümerquote von Wohnraum
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/_inhalt.html

[4]DeStatis Statistik zum Bestand Wohnungen in Deutschland:
https://www.destatis.de
https://owncloud.ag-technik.de/s/oKi6cARCD8z6TLz

[5]ZWB Wirtschaftsdienst (Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft) zur Mietwohnungsknappheit
https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/6/beitrag/mietwohnungsknappheit-in-deutschland-ursachen-instrumente-implikationen.html

[6]BGB – Miete frisst Einkommen
https://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/wirtschafts-finanz-steuerpolitik/klartext/++co++282aab30-d97e-11eb-8255-001a4a160123

[7]Neoliberalismus – Definition in Wikipedia

[8]Thomas Piketty „Der Sozialismus der Zukunft“

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